Sehr geehrter Mandant,

angesichts einer Flut von täglichen Publikationen haben wir von der Aktualisierung eines „Entscheidungsfriedhofes“ aus unseren Arbeitsgebietenabgesehen und verweisen auf gängige Suchmaschinen. Beachtenswert sind Gerichtsurteile immer dann, wenn es sich um höchstrichterliche Entscheidungen handelt, an die sich die unteren Gericht zu halten haben (sonst gäbe es keine Rechtssicherheit). Auch wenn jeder Fall andere Facetten hat und nie pauschal mit dem anderen verglichen werden kann, so lassen sich doch Kriterien herauslesen, die bei der Anwendung übereinstimmenden Rechtes wichtig sind.

Leider halten sich auch Gerichte nicht an Recht und Gesetz; beispielsweise galt die von den höchsten Gerichten bis Anfang der neunziger Jahre noch ohne jeden Zweifel geforderte Begründung von gerichtlichen Entscheidungen, bis der Begründungszwang- ein Naturrecht -, zur vermeintlichen  Entlastung „überlasteter“ (also organisatorisch ihren Anforderungen nicht gewachsener) Justiz abgeschafft wurde.

Eine Entscheidung ohne Gründe ist jedoch keine rechtsstaatliche, denn sie läßt nicht erkennen, ob und wie vollständig die Pflicht zur Befassung mit der Sache erfüllt oder zugunsten von Bequemlichkeit und Willkür vernachlässigt wurde. Selbst in Bananen-Staaten werden Beschlüsse begründet – und dort scheint überdies noch die Sonne.  

Es gehört zu den elementaren Rechten eines Bürgers, gegen ihn ergangene Entscheidungen und Verwaltungshandeln von einer höheren Instanz überprüfen zu lassen d.h. ungehindert dagegen ggf. Rechtsmittel einzulegen. Ein Rückbau des seit ehedem dreistufigen Rechtsweges durch den Gesetzgeber, führte dazu, dass im 21. Jahrhundert das Recht zur Berufung oder Revision in der Weise verdreht wurde, dass nicht mehr der Bürger entscheidet, ob er ein Rechtsmittel einlegt, sondern Gerichte, ob sie diese „zulassen“ bzw. „annehmen“ wollen. Diese „Reform“ auf Druck der Richterschaft höhlte den Rechtsstaat aus unter Verstoß gegen die Pflicht der Gesetzgebung, die verfassungsmässige Ordnung zu achten und zu bewahren.

Die Beiträge finden Sie alphabetisch unter folgenden Rechtsgebieten:

Bankrecht / Kapitalanlagerecht
Anspruch des Verbrauchers gegen die Bank wegen Verletzung von Belehrungspflichten

Die oberlandesgerichtliche Entscheidung setzt erstmals europäisches Recht um und begründet eine Belehrungspflicht der Bank gegenüber dem Verbraucher. Die Funktion der Belehrung besteht nicht darin, dem Verbraucher die Möglichkeit zu eröffnen, sich von dem finanzierten Geschäft, hier dem Immobilienkauf, zu lösen bzw. Abstand zu nehmen. Ein Immobilienerwerbsvertrag ist in seinem rechtlichen Bestand nicht vom Widerruf des Darlehensvertrages abhängig. Es besteht eine Verschuldensvermutung zulasten der Bank, dass die Belehrungspflicht nicht erfüllt wurde. Die Bank muss sich daher exkulpieren. Einer sorgfältigen Bank seien die relativ einfachen Vorkehrungen durchaus zuzumuten gewesen.

Im Ergebnis lässt damit das Gericht die Verschuldensfrage offen und befürwortet eine verschuldensunabhängige Haftung entsprechend den Vorgaben des EUGH.

Der Verbraucher hat daher einen Anspruch, dass er so gestellt ist, wie er bei pflichtgemäßen Verhalten der Bank gestanden hätte. Das Gericht befürwortet eine widerlegliche Vermutung zugunsten des Verbrauchers.
Beamtenrecht
Urteil des BVerwG vom 24.11.05

1.
Sind bei dienstlichen Beurteilungen Richtwerte für die Notenvergabe vorgeschrieben, muss die jeweilige Vergleichsgruppe hinreichend groß und hinreichend homogen sein.

2.
Die Gruppe der Sachbearbeiter des gehobenen Dienstes in einer Fachabteilung einer Behörde genügt dem Homogenitätserfordernis, wenn die Beamten trotz unterschiedlicher Statusämter im wesentlichen gleiche Dienstaufgaben wahrnehmen.
Familienrecht
Trennungsunterhalt bei Teilzeittätigkeit und bei Betreuung eines behinderten Kindes (BGH 2006)

Nach der Rechtsprechung des BGH braucht sich eine Ehefrau, die Unterhalt von ihrem Ehemann verlangt, im Regelfall nicht auf eine eigene Erwerbstätigkeit verweisen zu lassen, so lange sie ein Kind betreut, das noch nicht 8 Jahre alt ist. Bei der Prüfung der persönlichen Verhältnisse des betreuenden Ehegatten ist jedoch regelmäßig von Bedeutung, ob er bereits während der bestehenden ehelichen Lebensgemeinschaft eine berufliche Tätigkeit ausgeübt hat und aus welchem Grund (wirtschaftliche Notwendigkeit oder Freiwilligkeit). Die Ausübung der Erwerbstätigkeit könne in diesem Zusammenhang ein bedeutsames Indiz für die vorhandene tatsächliche Arbeitsfähigkeit sein trotz Betreuung eines Kindes sein. Es handelt sich immer um eine Einzelfallbetrachtung.

Bei der Beantwortung der Frage, ob ein Ehegatte einer überobligationsmäßigen Erwerbstätigkeit nachgeht, ist ein überdurchschnittlich hoher Betreuungsaufwand eines behinderten Kindes in die Beurteilung einzubeziehen.

Es kommt neben den persönlichen Verhältnissen des unterhaltsfordernden Ehegatten vor allem auf die Betreuungsbedürftigkeit des Kindes an. Dabei spielt nicht nur das Alter des Kindes eine Rolle, sondern insbesondere auch sein Gesundheitszustand, sein sonstiger Entwicklungsstand sowie möglicherweise bei diesem aufgetretene Verhaltensstörungen. Demgemäß ist auch ein überdurchschnittlich hoher Betreuungsaufwand zu berücksichtigen.

Bezüglich des erzielten Pflegegeldes für die Betreuung des behinderten Kindes wurde entschieden, dass dieses nicht als Einkommen unterhaltsmindernd berücksichtigt wird, soweit einer der in § 13 Abs. 6 Satz 2 SGB IX geregelten Ausnahmefällen nicht vorliegt.
Gesellschaftsrecht
Schuldenfalle GbR!

GbR-Gesellschafter haften bekanntlich mit ihrem gesamten Vermögen für die Schuld der Gesellschaft. GbR-Gesellschafter wird man sich bereits, sowie man mit Anderen einen gemeinsamen wirtschaftlichen Zweck verfolgt.

Aufgrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH war bisher ein neu hinzutretender Gesellschafter davor geschützt, wegen alter, früher begründeter Schulden der Anderen mit herangezogen zu werden. Untere Gerichte wollten diese Regel ausgehöhlt sehen. So veranlasste das OLG Dresden den BGH erneut zu entscheiden: Nun soll erst im Einzelfall entschieden werden, je nach dem ob der neue Gesellschafter die Schulden kannte oder hätte kennen müssen. Es wird also wieder unsicher, was eigentlich klar war.

Folglich wird sich ein Unternehmer nicht mehr ohne weiteres mit Anderen wirtschaftlich betätigen, ohne eine haftungsbegrenzende Rechtsform (GmbH, SL, Ltd,…) zu wählen.

Gefährlich wird es für den zu einem Immobilienfonds hinzutretenden Anleger bei sogenannten „Schrottimmobilien“. Er wird sich nicht mehr dagegen wehren können, von einer Bank für die vor seinem Eintritt aufgenommenen Darlehen zur Sanierung der Immobilie herangezogen werden, es sei denn er wurde über das Nichtbestehen derartiger Altschulden falsch informiert oder getäuscht.

Fazit: Vor „Eintritt“ in eine GbR bzw. dem gleichgestellter Anlageentscheidung anwaltlich genau prüfen lassen, welche Konsequenzen eintreten könnten und sich vertragliche Vereinbarungen oder sichere Alternativen dazu empfehlen lassen.
Verkehrsrecht
Umsatzsteuerabzug vom fiktiven Kfz-Wiederbeschaffungswert (BGH Urteil 2006)

Will der Geschädigte einen Schaden fiktiv auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens abrechnen, ist von einem dort angegebenen Bruttowiederbeschaffungswert eine darin enthaltene Umsatzsteuer abzuziehen.

Hierfür hat der Tatrichter zu klären, ob solche Fahrzeuge üblicherweise auf dem Gebrauchtwagenmarkt nach § 10 UStG regelbesteuert oder nach § 25 a UStG differenzbesteuert oder von Privat und damit umsatzsteuerfrei angeboten werden.

Wichtig in dieser Entscheidung ist die Feststellung des Bundesgerichtshofes, dass sich der Tatrichter an der nach überwiegender Wahrscheinlichkeit zu zahlenden Umsatzsteuerhöhe für den Kauf des Ersatzfahrzeuges auf dem Gebrauchtwagenmarkt richten kann. Hierbei kann er sich auf die Angaben eines Sachverständigen beziehen.
Verkehrsrecht
Halter haftet nicht für abgestelltes Auto auf Privatfläche

Halter, deren Fahrzeuge durch einen Fahrer auf privaten Parkplätzen abgestellt worden sind und deswegen ein zivilrechtliches Verfahren eingeleitet wird, haften gegenüber dem Betreiber des privaten Parkplatzes nicht. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund beachtlich, wo die Beweisführung des Betreibers eines privaten Parkplatzes durch Aufnahme des Fahrzeuges und Aufnahme des Nummernschildes durchgeführt wird. Das dürfte aber nicht ausreichen, um gegen den Halter vorzugehen, denn dieser muss nicht Fahrer des Fahrzeuges gewesen sein.

Reparaturkostenersatz ohne Abzug des Restwertes bei Weiterbenutzung des PKW (BGH Urteil 2006)

Dem Geschädigten stehen für die Berechnung von Kraftfahrzeugschäden im allgemeinen zwei Wege der Naturalrestitution zur Verfügung:

- die Reparatur des Unfallfahrzeuges oder
- die Anschaffung eines (gleichwertigen) Ersatzfahrzeuges.

Der Geschädigte ist nicht generell zur Reparatur verpflichtet sei, wenn er den erforderlichen Reparaturaufwand verlangt.

Der BGH stellt in seiner nunmehrigen Entscheidung klar, dass für den Anspruch auf fiktive Reparaturkosten ohne Berücksichtigung des Restwertes entscheidend ist, dass der Geschädigte das Fahrzeug weiter nutzt, sei es auch im beschädigten, aber noch verkehrstauglichen Zustand. Er kann es nach allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen unrepariert weiter nutzen und den zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrag anderweitig verwenden.

Eine Weiterbenutzung des Fahrzeuges im Sinne der oben dargelegten Rechtsprechung des BGH erfolgt nicht, wenn der Geschädigte das Fahrzeug nach dem Unfall alsbald veräußert. Dann nämlich gibt er sein Integritätsinteresse auf und realisiert durch den Verkauf den Restwert seines Fahrzeuges mit der Folge, dass er sich diesen grundsätzlich anrechnen lassen muss. Die sich aufdrängende Frage, wie lange eine Weiterbenutzung erfolgen muss, bis das Fahrzeug verkauft wird, wurde nunmehr zur Erleichterung einer praktikablen Schadensabwicklung dahingehend beantwortet, dass im Regelfall ein Zeitraum vom 6 Monaten erforderlich, aber auch ausreichend ist.

Fazit: Bei einem Totalschaden muss der Geschädigte einen Abzug des Restwertes vom Schadensbetrag (meist zwischen 1.000,- und 4.000,- EUR) nicht akzeptieren, wenn angegeben wird, dass das Fahrzeug repariert werden soll und dieses noch für mindestens 6 Monate benutzt wird, bevor eine Verkauf stattfindet. Die 6 Monatsfrist wurde nunmehr höchstrichterlich festgesetzt.
Zuletzt aktualisiert am: 25.07.2006


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